Die Bundesregierung hat ein 500-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm angekündigt – ein gewaltiges Vorhaben, das wirtschaftliche Stärke, Digitalisierung, Energiewende und Infrastruktur auf ein neues Niveau heben soll. Doch aus Sicht vieler Kommunen stellt sich nicht die Frage, ob diese Investitionen sinnvoll sind – sondern ob sie überhaupt bei uns ankommen. Als Bürgermeister der Stadt Strasburg (Uckermark) erlebe ich täglich, wie groß die Lücke zwischen politischen Ankündigungen und kommunaler Realität geworden ist.
Die Grundidee des Programms ist absolut richtig. Die Schwerpunkte stimmen, und das finanzielle Volumen könnte ein echter Impuls für unser Land sein. Doch die Umsetzung entscheidet. „500 Milliarden Euro sind eine gewaltige Summe – aber entscheidend ist, ob sie den Weg in unsere Städte finden“, sage ich mit Blick auf die Situation vor Ort. Denn hier, in den Kommunen, wird nicht geplant, sondern gemacht: Hier wird gebaut, gelernt, gelebt und gearbeitet. Und genau hier zeigt sich, ob ein Förderprogramm greift – oder lediglich auf dem Papier existiert.
Fakt ist: Über 50 % der öffentlichen Investitionen in Deutschland werden von Städten und Gemeinden getragen. Doch viele dieser Kommunen sind wirtschaftlich ausgedörrt. Jahrzehntelange Haushaltskonsolidierung hat Rücklagen aufgezehrt, Strukturen verschlankt und Investitionskraft geschwächt. In Strasburg (Um.) kennen wir das nur zu gut: Die Rückseite unseres Rathauses ist marode, Zufahrten zu öffentlichen Einrichtungen wie der Max-Schmeling-Halle sind kaputt, mehrere Gebäude stehen leer und verfallen – wir haben weder die Mittel für Sanierung noch für den Abriss. Das ist kein Mangel an Ideen, sondern schlicht ein Mangel an Mitteln.
Besonders dramatisch wird es bei Pflichtaufgaben. Bildung, Brandschutz, Daseinsvorsorge – das sind keine Luxusprojekte, sondern gesetzlich verankerte Aufgaben des Staates. Trotzdem erleben wir, wie solche Vorhaben immer wieder an den engen Grenzen unserer Haushalte schwer zu meistern sind. „Es ist nicht hinnehmbar, dass Kommunen Feuerwehrstandorte nicht modernisieren oder Schulen nicht sanieren können, weil es rechnerisch nicht mehr in den Haushalt passt“, betone ich mit Blick auf den Alltag in unserer Verwaltung. Wenn wir solche Kernaufgaben vernachlässigen, verlieren wir Vertrauen – bei unseren Bürgerinnen und Bürgern, aber auch in den Staat als Ganzes.
Ein weiteres Hindernis ist die Bürokratie. Fördermittel sind häufig an komplizierte Antragsverfahren, enge Fristen, umfangreiche Nachweise und externe Prüfungen geknüpft. Vieles bleibt in der Warteschleife – nicht, weil wir nicht wollen, sondern weil uns die Kapazitäten fehlen. „Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr Vertrauen – denn wir sind nicht das Risiko, wir sind die Lösung“, lautet mein Appell an Bund und Länder. Pauschale Mittelzuweisungen, transparente und einfache Verfahren – das wäre ein echter Hebel, um vor Ort Tempo aufzunehmen.
Zugleich stellt sich die Frage nach den fiskalischen Rahmenbedingungen. Die Schuldenbremse, wie sie derzeit gilt, verhindert vielerorts genau die Investitionen, die wir so dringend bräuchten. Dabei sind Investitionen kein Defizit, sondern der Weg in die Zukunft. Wer heute nicht investiert, verliert morgen doppelt – an Qualität, an Vertrauen und an Wettbewerbsfähigkeit. „Wir brauchen Spielräume für investive Ausgaben – vor allem bei Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur“, fordere ich. Wenn wir die Substanz nicht erhalten, werden die Folgekosten ungleich höher.
Ich erinnere mich an die 1990er-Jahre, als mit dem Wiederaufbau Ostdeutschlands vieles möglich gemacht wurde – nicht perfekt, aber mit Entschlossenheit, Pragmatismus und Vertrauen in die Menschen vor Ort. Heute ist dieser Geist oft verloren gegangen. Stattdessen dominieren Kontrolle, Misstrauen und Klein-Klein die Verwaltungsrealität. Was wir brauchen, ist wieder mehr Handlungsspielraum – und den Mut, zu gestalten. „Ich wünsche mir ein neues Vertrauen in die kommunale Kompetenz. Wir haben es oft bewiesen – geben Sie uns die Chance, es wieder zu tun.“
Strasburg (Um.) steht exemplarisch für viele Städte in Deutschland. Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Unsere Stadtvertretung beschließt wichtige Projekte, auch unter schwierigen Bedingungen. Wir setzen um, was nötig ist – weil wir es müssen. Doch das geht nur, wenn wir Partner auf Landes- und Bundesebene haben, die uns etwas zutrauen, uns ernst nehmen und uns nicht allein lassen. „Wenn Programme wie das 500-Milliarden-Euro-Paket nicht in Strasburg (Um.) ankommen, dann kommen sie nirgendwo sinnvoll an“, sage ich mit voller Überzeugung.
Denn die Zukunft wird nicht in großen Konferenzen entschieden, sondern im Alltag der Städte. Und dieser Alltag beginnt bei uns – jeden Tag.
Ihr Bürgermeister Klemens Kowalski