Schon zu meiner Kindheit war das Eiertrudeln ein Brauch in unserem Dorf Kutzerow und ein Muss für jedes Kind: Am Ostersonntagvormittag hatte der Osterhase seine bunten Eier im Garten oder auf dem Gehöft versteckt, die wir Kinder dann mit vollem Elan suchten. Das war nicht immer einfach, denn in Dörfern gibt es viele Möglichkeiten, Osternester zu platzieren. Doch bis zum Mittagessen hatte jedes Kind ein Nest mit bunten Eiern gefunden. Am Nachmittag trafen wir uns dann zum gemeinsamen Trudeln auf unserem Lindenberg. Preise gab es nicht, jedoch wurde das am weitesten getrudelte und heil gebliebene Ei schreiend bejubelt. Die Eier, die zu Bruch gingen, wurden umgehend verspeist. Das konnten an so einem Nachmittag schon einige sein. Da lautete auf dem Land die Devise „Nimm ein Ei mehr“ und für so manchen fiel an dem Tag das Abendessen aus.
Als wir Eltern wurden und in Strasburg (Um.) wohnten, war es für mich selbstverständlich, diesen Brauch weiter zu reichen. So verabredeten wir uns mit anderen Familien am Ostersonntag am Burgwall und machten uns mit Trudeln und mitgebrachtem Kaffee und Kuchen einen schönen Nachmittag. Jedes Jahr fanden sich immer mehr Familien ein, die sich unserem Treiben anschlossen.
Daraus entstand dann die Idee, ein öffentliches Eiertrudeln am Ostersonntagnachmittag zu organisieren – eine Idee, die sehr gut angenommen wurde. In den Anfängen wurde demjenigen eine Urkunde verliehen, dessen Ei am weitesten trudelte und dabei intakt blieb.
Von Jahr zu Jahr veränderten sich die Bedingungen, so dass Wettkampfregeln geschaffen wurden, die noch heute gelten: Vor Beginn des Wettbewerbs müssen sich alle Teilnehmer registrieren. Jedes teilnehmende Kind kennzeichnet sein Ei sorgfältig mit seinem Namen oder einer anderen Kennzeichnung, um es von anderen zu unterscheiden. Nach Abschluss jedes Laufs werden die fünf Eier, die die längste Strecke zurückgelegt haben, punktiert. Der Wettbewerb besteht aus mehreren Läufen, je nach den Bedingungen und dem Wetter können dies zwischen 6 und 10 Läufe sein. Am Ende des Wettbewerbs werden die Ergebnisse aller Läufe zusammengezählt.
Das Kind, dessen Ei die längste Strecke ohne Beschädigung zurückgelegt hat, erhält eine Urkunde.
Auch einen Preis können sich die Sieger aussuchen. Zum Abschied bekommt noch jedes Kind, das am Trudelwettbewerb teilgenommen hat, eine Tüte mit Süßigkeiten und eine kleine Überraschung. Kein Kind geht mit leeren Händen nach Hause.
Glücklich waren wir, wenn die Eltern unsere Arbeit würdigten und gern unser Spendenschwein fütterten. Das war in jedem Fall eine große Hilfe, z.B. zum Kauf der Preise, und letztendlich hielt sich dadurch auch mein Anteil an den Kosten im Rahmen. In einem Jahr kam Matthias Lindner, der Verantwortliche für die Medienarbeit auf die Idee, zum Abschluss noch ein Sponsorentrudeln einzuführen, welches er auch organisierte. Dieses wurde von den Erwachsenen immer sehr gern angenommen. Es gab einige ansehnliche Preise zu gewinnen und die Kinder hatten einen Riesenspaß, die Erwachsenen anzufeuern.
Am Ostersonntag wurde als erstes wie gewohnt die Bahn abgesteckt und für den Start unser Rinnenrohr montiert, so dass für jeden Wettkämpfer gleiche Bedingungen herrschten. Pünktlich erschienen die ersten Kinder, um sich in die Startliste einzutragen und um eine der begehrten Startnummern zu ergattern. Die mitgebrachten Ostereier wurden auf Unversehrtheit kontrolliert und mit einer Startnummer versehen. Vor dem Start pünktlich um 15:00 Uhr wurde jeder Trudler noch einmal auf die Regeln hingewiesen und der Spaß konnte mit unserem Schlachtruf „Bahn frei! Osterei!“ beginnen. Die Starter hatten je 3 Ostereier zur Verfügung, mit denen sie 6 Durchläufe absolvieren mussten. Jeder Starter entwickelte so seinen eigenen Stil, das Ei durch die Startröhre auf die Bahn zu schicken, um ein große Weite zu schaffen. Manch einer agierte mit viel Schwung und andere waren eher zaghaft.
Am Ende des Wettbewerbes standen folgende Sieger fest:
1. Platz mit 35 Punkten Bastian Harms
2. Platz mit 33 Punkten Lindsay Gurke
3. Platz mit 27 Punkten Kira Merten
Die jüngste Starterin war Mara Gröger aus Klepelshagen mit gerade mal 3 Jahren. Das anschließende Sponsorentrudeln mit 28 Teilnehmern bot gleichzeitig viel Spaß für die müde gelaufenen Kinder, die die Erwachsenen lautstark anfeuerten. Bald stand auch bei den Erwachsenen Enrico Ziemann als Sieger fest.
Die Veranstaltung war wieder ein schönes Familienfest und wurde mit einem „Bahn frei! Osterei!“ beendet.
Nun geht eine Ära zu Ende. Für mich ist es ein Abschluss. Nachdem ich vor einigen Jahrzehnten das Trudeln nach Strasburg (Um.) brachte, hat es sich inzwischen zum Vergnügen der Generationen entwickelt. Wer wird den Staffelstab von mir übernehmen? Noch hat sich niemand gefunden. Trudeln in diesem Umfang wird es, wenn niemand „den Hut auf hat“ nicht mehr geben. Einzelne werden nicht auf das jährliche Vergnügen verzichten wollen und sicherlich wird es dann auch heißen: „Wisst ihr noch, was hier sonst alles los war?“
Ich bedanke mich bei meinen so wichtigen und tatkräftigen Unterstützern. Einige haben mir über Jahrzehnte die Treue gehalten. Euch sage ich besonders Danke. In diesem Jahr gilt ein besonderer Dank Matthias Lindner, Nadin Heise, Claudia und Sven Danowsky, Emma Wystrach sowie meiner Frau Elke.
Ohne die treuen Helferinnen und Helfer, die mir in jedem Jahr bei der Vorbereitung und Durchführung zur Seite standen, wäre so einiges nicht zu stemmen gewesen. Da wir lediglich eine Interessengemeinschaft sind, war es nicht so einfach, Sponsoren zu gewinnen. Aber auch hier fanden wir immer wieder Unterstützer, denen ich herzlich danke: Rewe Markt GmbH, Gardinen-Stoff-Centrum Hannemann & Klug GbR, Netto ApS & Co. KG und die Brillibrum GmbH Linchenshöh.
Ein besonders großes Dankeschön geht an Familie Roll, die uns auch in diesem Jahr ihren Berg mit ausnahmsloser Verfügungsgewalt überließ. So konnte der Burgwall nach umfangreichen Mäharbeiten und notwendigen Ausbesserungen durch die tatkräftigen Helfer rechtzeitig „trudeltauglich“ vorbereitet werden.
Auch unseren Osterhasen wollen wir nicht vergessen; das war in diesem Jahr Karla Müller. Wenn die Kinder begeistert und mit leuchtenden Augen den Berg verließen, war dies die schönste Anerkennung und Entschädigung und darum nochmal zum Abschied von mir ein munteres „Bahn frei! Osterei!“
Text/Fotos: Gunther Arthaber